Zur Diskussion um die Authenzität des Leaks der RKI-Protokolle

Sie haben es vielleicht mitbekommen, im Widerstand ist eine Diskussion entstanden, ob der Leak der RKI-Protokolle in ungeschwärzter und vollständiger Fassung echt ist. Einige Akteure des Widerstands, insbesondere Roger Bittel, Bodo Schiffmann, Florian Machl, haben Unterschiede zu den von Paul Schreyer bzw. Multipolar herausgeklagten Dokumenten gefunden und bezweifeln nun, dass die von Prof. Homburg, Aya Velázquez und Bastian Barucker vorgestellten Dokumente echt sind.

Man geht so weit, eine besonders ausgefeilte Täuschungsoperation als möglich zu betrachten. Der Whistleblower des RKI sei ein Agent Provocateur, der sorgfältig bearbeitete Dokumente an das Team um Aya Velázquez gegeben hätte, mit dem Zweck, dass a) alle wirklich belastenden Informationen daraus entfernt wurden und b) der Widerstand bei späterer Offenlegung der Fälschung diskreditiert wird.

Am Ende, natürlich, hängt es alles an der Vertrauenswürdigkeit des Whistleblowers. Der ist mittlerweile enttarnt, denn er hat übersehen, seinen Namen aus den Metadaten zu tilgen, und bitte beachten Sie in diesem Zusammenhang, dass ich die korrekte Grammatik anwende und das generische Maskulinum beherrsche.

Ohne allzuviel auf die Details einzugehen, möchte ich zunächst die Frage stellen, woher man denn so sicher ist, welcher der beiden Datensätze der richtige ist? Es wird immer nur gegen den herausgeklagten Datensatz verglichen, aber dass der modifziert ist, ist zweifelsfrei bewiesen – er ist ja geschwärzt, und das geht ohne Modifikation nun einmal nicht. Mit anderen Worten, es könnte doch genausogut sein, dass der Whistleblower-Leak nachweist, dass die vom RKI an Multipolar herausgegebenen Dokumente gefälscht waren; wer das ausschließen wollte, müsste schon die Theorie mit dem Agent Provocateur, welche ja ganz bestimmt weitaus höhere kriminelle Energie voraussetzt, ebenso verneinen.

Die gesichert stattgefundene Modifikation der Multipolar-Dokumente erklärt außerdem die eine Beobachtung, im geleakten Datensatz hätte es z.T. andere Schriftarten, andere Seitenumbrüche und andere Header. Sehen Sie, wenn Sie etwas schwärzen möchten, dann dürfen Sie das nicht in einem PDF tun. Sie müssen das in der Word-Datei machen, und dann das PDF neu exportieren, sonst könnte die Schwärzung evtl. enttarnt werden. Und mit dem PDF-Export eines Word-Dokuments ist das so eine Sache. Der kommt unter Windows so heraus, unter Linux aber ganz anders. Er kann sogar unter zwei Windows-Installationen unterschiedlich herauskommen. Das liegt zum einen an den jeweils installierten Fonts, der PDF-Exporteur wählt eine seiner Ansicht passende Ersatzvariante aus, wenn der Ursprungsfont nicht verfügbar ist. Und ob dann irgendein Spezial-Office-Font auf einem anderen System verfügbar ist, ist überhaupt nicht gesagt. Zum anderen ist das PDF-Format aufgrund seiner enormen Leistungsfähigkeit außerordentlich komplex, und deshalb können sogar zwei verschiedene Exporteure unterschiedliche Ergebnisse liefern. Und solche Exporteure gibt es viele. Es kann sogar passieren, dass verschiedene Viewer ein anderes Layout zeigen!

Ich gebe zu, dass es ein paar wenige von Bittel et al. vorgestellte Merkwürdigkeiten gibt, die ich mir so nicht erklären kann, sondern für die es nur eine mögliche Interpretation gibt, nämlich, dass es sich um unterschiedliche Dokumente handelt. Allerdings muss ich Ihnen ohne falsche Bescheidenheit sagen, dass ich für die Datenhaltung in großen Unternehmensstrukturen qua Beruf weit kompetenter bin als irgendeiner der Akteure, die die Widersprüche aufdecken wollen. Da fallen Aussagen, bei denen muss ich bloß lachen. Jahrelange Backups, die auch noch völlig verlässlich und eindeutig sind? Naja. Hab ich in der Praxis jedenfalls noch nicht gesehen. Gibt es vielleicht irgendwo, aber beim RKI? Der enorme und ziemlich unstrukturierte Datensalat lässt nicht wirklich darauf schließen. Und das entspricht auch meiner Erfahrung. Es kursieren immer mehrere Versionen von allem, und es ist eine sehr große Herausforderung, das immer alles zu konsolidieren. Wer hat welchen Stand, wer hat welche Rechte, wie sorgt man dafür, dass nur zulässige Änderungen genehmigt werden und diese auch verlässlich überallhin propagiert werden.

Sprich, dass es mehrere Versionen des Datensatzes gibt, will ich überhaupt nicht ausschließen, und auch nicht, dass der Whistleblower eine irgendwie veraltete / später bearbeitete Version des Datensatzes bei sich hatte und dann weitergegeben hat. Dergleichen kommt in großen Unternehmen häufig vor, dass der eine den Stand in der Schublade hat, und der andere einen anderen. (In der Praxis geht es dabei natürlich nicht um Schubladen, sondern um den Zugriff auf jeweilige Revisionen der Datenhaltung, beziehungsweise, zu welchem Zeitpunkt ein lokaler Abzug gefertigt wurde). Man muss sich auch fragen, falls die Geschichte mit dem Whistleblower aus Gewissensgründen so stimmt, wie lange brauchte es von den Gewissensbissen bis zur konkreten Handlung, nämlich dem Sichern der Dokumente bei sich, und dann bis zur tatsächlichen Aktion, also die Dokumente auch weiterzugeben. Da können Wochen von Gewissensqualen und Loyalitätskonflikten vergehen, und was wer wann in solchen Zeiträumen in den Daten herumgewurstelt hat, lässt sich, jedenfalls für den Widerstand, sowieso nicht herausfinden.

Außerdem ist es doch so: Da das RKI einen so enormen Aufwand der Schwärzung betreibt und sich so verbissen vor Gericht gegen die Herausgabe wehrt, würde es doch die Brisanz dieser Protokolle nur außerordentlich betonen, wenn die in ihrer Verzweiflung sogar so weit gehen würden, ein “U-Boot” in den Widerstand einzuschleusen mit extra gefälschten Daten. Das würde doch den Leak letztlich noch nicht einmal abwerten – ok, die Daten wären dann vielleicht nicht so aussagekräftig, wie wir bisher annehmen bzw. hoffen, aber dass das RKI zu solch clandestinen Operationen greifen würde, würde doch nur erst recht beweisen, dass das RKI enorm Dreck am Stecken hat und das auch weiß.

Und dass Lauterbach und co. ganz unschuldig und unbeeindruckt tun, besagt übrigens gar nichts. Das sind Leute, die mit einem Lächeln ein todbringendes Genexperiment ohne Zulassung in Kinder abdrücken, und ganz harmlos dabei in die Kamera glotzen. Die können so was, das ist deren Beruf als Politiker. Sehen Sie sich doch nur Frau vdLeyen an, selbst unter den allerhärtesten Vorwürfen zeigt sie bloß ihr Klein-Mädchen-Grinsen. Da müsste man schon wissen, wieviel Flaschen Wein abends weggehen, um zu beurteilen, ob Lauterbach vor dem Leak Angst hat oder nicht – wie der in der Öffentlichkeit damit umgeht, bedeutet erstmal gar nichts.